Unternehmerische Intelligenz Made in Germany
Verfüge ich selbst oder (m)eine Unternehmung über Unternehmerische Intelligenz?
Sind soziokulturelle Barrieren und Blockaden zu beachten, die Unternehmerische Intelligenz beeinflussen könnten?
Führt eine veränderte Perspektive auf unternehmerische Aktivität in Deutschland dazu, dass unsere Gesellschaft eine neue Beziehung zu dieser entwickelt?
Wie kann Unternehmerische Intelligenz entwickelt und gestärkt werden?
Die Auseinandersetzung mit diesen und weiteren Fragestellungen sollen Impulse setzen, um Veränderungen zu unterstützen – nicht nur bei sich selbst. Aber beginnt nicht alles dort?
admin –
Rezension zur 2. Auflage „Unternehmerische Intelligenz“ von Prof. Dr. Andrea Beyer
M. Reiß/J. Schenscher/L. Steiger/E. Kolz (Gastautorin): Unternehmerische Intelligenz – Made in Germany, Mainz 2022
Das Buch ist mit viel Engagement und einem deutlichen Anliegen für die „unternehmerische Idee“ konzipiert und verfasst. Die Autoren zeigen die Bedeutung der unternehmerischen Intelligenz und die Hindernisse bei ihrer Entfaltung. Sie zielen auf ein stärkeres unternehmerisches Bewusstsein sowie auf die Förderung und Entwicklung von dazu notwendigen Fähigkeiten. Dabei werden zum Teil Blickpunkte eingenommen, durch die neue Wege möglich sind.
Am Anfang steht die Bedeutung von Veränderungen und damit auch die Bedeutung von unternehmerischer Intelligenz. Das ist das zentrale Thema. Deshalb werden auch zuerst die Fähigkeiten und die Verhaltensweisen gezeigt, die Bestandteile unternehmerischer Intelligenz sind. Interessantes Ergebnis dabei: „In der Phase des Neu-Denkens das Subjekt der Unternehmung erst einmal gedanklich von der oder den vorhandenen Person/en“ abkoppeln und getrennt im Hinblick auf die geforderten und vorhandenen Fähigkeiten beurteilen (S. 27). In einem analytischen Verfahren werden vor diesem Hintergrund Fähigkeiten und Verhaltensweisen für konkrete Situationen messbar gemacht. Die Analyse von Anforderung und aktuellem Zustand bei Innovationsentwicklungen soll damit objektiver werden. Ein schwieriges Unterfangen. Aber es gilt auch hier: „Alleine durch die Auseinandersetzung mit dem Thema wird etwas bewirkt“ (S. 41).
Der zweite große Abschnitt (S. 44-57) ist eine flammende Auseinandersetzung mit den Einschränkungen und den Schwierigkeiten bei der Entwicklung unternehmerischer Intelligenz in Deutschland. Konsequent wird daher im Folgenden gefragt, wie diesen Einflüssen begegnet werden kann (S. 62-71). Interessantes Ergebnis dabei: Unternehmerisch nicht nur auf Unternehmer beziehen – das unternehmerische Universum weiter sehen (S.63 u. S. 68). Damit kann das Unternehmerische sichtbarer werden und es kann auch deutlich machen, dass in vielen von uns mehr unternehmerisches Potenzial steckt, als wir vermuten (S. 69).
Der Abschnitt „Unternehmerische Intelligenz nutzen“ (S. 74-86) zeigt, wie mit der White Strategy-Methode und dem dazugehörigen Instrumentarium „Conceptem“ Unternehmerisches erlernt werden kann. Hier wird das Rüstzeug für Seminare, Vorlesungen, Workshops oder für ein Einzelcoaching auf der Basis langjähriger Erfahrung und Weiterentwicklung bereitgestellt.
Vor dem Gastbeitrag zum Verein E.U.L.E. e.V. in Mainz erfolgt ein deutliches gut strukturiertes Fazit. Originell sind die „Outtakes“ vor Anhang und Literaturverzeichnis. Hier wird zusammengeführt, was nicht im Text verarbeitet wurde.
Die großen Gliederungspunkte – Gedanken, Aufbrechen, Bewegen – sind originell; sie transportieren eine Botschaft. Der Leser hat aber erst mit den Unterpunkten eine genauere Vorstellung davon, was ihn erwartet. Das Strukturelement „Fragen in den Überschriften“ kann dabei zwar nicht durchgehalten werden, die Unterpunkte geben dafür aber kurze, klare Antworten.
Inhaltlich sind die Ausführungen klar und nachvollziehbar. Sie lassen direkt und zwischen den Zeilen das Engagement der Autoren für das Thema erkennen. Dabei zeigen sie differenziert, dass es einerseits mehr unternehmerisches Denken gibt, als wahrgenommen wird; andererseits ist die Analyse der Beschränkungen und die Darstellung der Möglichkeiten zum Abbau dieser Schranken tiefgehend.
Allerdings wären auch einige inhaltliche Verbesserungen denkbar:
In den Kapiteln 1- 3 werden mehrere Arten von Fähigkeiten und Verhalten unterschieden, von denen unternehmerische Intelligenz profitiert. Die Aussagen stehen aber teils unverbunden nebeneinander, wie z. B. die Fähigkeiten nach dem World Economic Forums für die Zukunft (S. 18) und die Fähigkeiten, die ein Unternehmen, i.S. der Zukunftsfähigkeit, benötigt (S. 21f). Teilweise werden in den einzelnen Kategorien auch so viele Fähigkeiten aufgeführt (permanente und situative Fähigkeiten), dass die Analyse wenig akzentuiert auf das Wesentliche zeigt. Interessant wäre hingegen eine stärkere Auseinandersetzung mit der speziellen Fähigkeit „Vertrauen“ (S. 24). Dieser Faktor findet sich selten in der einschlägigen Literatur.
Die Darstellung der Phasen, die eine unternehmerische Idee durchläuft, sind hingegen klar und akzentuiert (S. 28f). Allerdings wird nur von den Vorteilen in diesem Prozess gesprochen. Eine differenzierte Analyse und Hilfe für Entrepreneure und Intrapreneure sollte jedoch zumindest auch auf die Probleme in diesen Phasen hinweisen.
Für die Bewertung derzeitiger und künftiger Fähigkeiten wird der Unternehmensintelligenz-Index eingeführt – originell und wichtig für das Konzept (S. 30). Deshalb sollte er nicht in einer Fußnote erklärt werden und klarer vor allem bei der internen Analyse abgebildet sein. Was die tatsächlichen Abbildungen auf den Seiten 36-38 betrifft, bereiten sie keine Freude – sie sind zu klein.
Wieviel Freude es hingegen macht, unstrukturiert zum Thema in den sogenannten Outtakes zu lesen, verwundert, macht aber nochmals Laune für das Thema am Ende.
Prof. Dr. Andrea Beyer
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admin –
Rezension zur 1. Auflage „Unternehmerische Intelligenz“ von Prof. Dr. Sibylle Kunz
Nach „Scheitern ist Scheiße“ und „White Strategy“ legen Michael Reiß und seine Co-Autoren nunmehr den dritten Band einer Reihe vor, die sich mit der Frage beschäftigt, wie sich unternehmerisches Handeln erlernen und als Fähigkeit vertiefen lässt und wie sich sein Ansehen und seine Wertschätzung in unserer Gesellschaft steigern lassen.
Im Zentrum steht dabei der Begriff der „Unternehmerischen Intelligenz“, wie sie von Entre- und Intrapreneuren, aber auch ganzen Organisationen entwickelt werden kann und wie sie auch bei engagierten Menschen („Initiativpreneuren“) in sozialen Gruppen, Schulklassen oder Vereinen schon vorzufinden ist. Die Autoren verstehen darunter Fähigkeiten und Verhalten im Zusammenhang mit unternehmerischer Aktivität und unterscheiden hier in Initial-, permanente und situative Fähigkeiten, die in den einzelnen Phasen einer Konzeptionierung, Gründung, Umsetzung und Aufrechterhaltung bzw. Anpassung einer unternehmerischen Idee benötigt werden. Reiß und sein Team liefern sogar einen Ansatz für Dokumentation, Analyse und Bewertung dieser Fähigkeiten, um Lücken und Entwicklungspotentiale erkennbar zu machen.
Das Buch beleuchtet dabei auch immer wieder das in unserem Sozialisierungsraum noch zu gering ausgeprägte gesellschaftliche Ansehen des freien Unternehmertums und die vielfach errichteten Barrieren oder selbstauferlegten Blockaden, sei es aus einem falsch verstandenen Sicherheitsbedürfnis oder aus dem Irrtum gespeist, als Ideengeber später zwingend auch die Rolle der Geschäftsführung zu besetzen.
Mehr als in den Vorgängerbüchern ist es hierbei von Vorteil, mit der im Coaching und in Ausbildung und akademischen Lehre eingesetzten Conceptem-Methode vertraut zu sein, in der in (vorzugsweise genderkulturellen, d.h. aus männlichen, weiblichen oder diversen Teilnehmenden) zusammengesetzten Teams eine unternehmerische Idee entwickelt, kreativ ausgearbeitet und anschließend aus vielen Perspektiven (Produkteigenschaften, Zielgruppe und Markt, Preisfindung, Produktkalkulation, Produktionsplanung, Vertriebsplanung, Umgang mit auftauchenden Risiken oder Chancen) genau analysiert wird. Die Lektüre vermittelt, welches Ziel und Leitbild hinter der Methode steht und liefert somit die theoretische Fundierung.
Der schmale Band will dabei nicht als Lehrwerk daherkommen, sondern als Anregung zum Nachdenken darüber, was Unternehmer:innen von anderen unterscheidet und wie wir insbesondere in Deutschland zu einem anderen Verhältnis gegenüber dem wirtschaftlichen Wagnis gelangen können. Dabei helfen auch kulturelle und etymologische Betrachtungen (wer hätte gedacht, dass es „Vater Staat“ auch in anderen Sprachen gibt oder die „Rabenmutter“ woanders eine ganz andere Deutung erfährt als bei uns?) Und so bleibt vielleicht mit am nachhaltigsten die Feststellung „Garagen sind eine Frage des Geistes, nicht des Ortes“ in Erinnerung. Ein Buch, das Lust macht, die Initiative zu ergreifen.
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